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Statement
** English below **
Bevor ihr diesen Text lest: Wir sprechen eine Triggerwarnung für den gesamten Text aus. Es geht um sexualisierte Gewalt. Dies kann belastend und retraumatisierend wirken.
Am Samstag, den 06.03.21 wurden einige Freund*innen aus unserer Gruppe über einen in Leipzig an zwei Orten aufgetauchten Outcall informiert, der eine mit uns veranstaltende Person aus unserem Umfeld klar als Täter sexueller Gewalt deklariert. Der Outcall fand sich in Form eines anonymen Stencils auf der Türschwelle eines Wohnprojektes und an der Wand eines Leipziger Szeneclubs. Auch in Berlin ist das Stencil bei einem bekannten Club aufgetaucht, allerdings nicht vollständig.
TW: Hinter diesem Link verbergen sich Bilder des Stencils, aus ihnen geht auch der Name des Täters hervor: Bilder
Wir haben uns daraufhin sofort getroffen und im Plenum entschieden, dass wir im engeren Freund*innenkreis vollständige Transparenz darüber herstellen wollen, um sowohl unsere, als auch Freund*innen der gewaltausübenden Person durch einen Infochannel in Telegram über die uns vorliegenden Fakten zu informieren. Dort wurde jegliche Information geteilt, die wir zu dem Zeitpunkt hatten.
In einem zweiten Plenum begannen wir dann, den Aufarbeitungsprozess innerhalb unserer Gruppe zu strukturieren.
Am darauffolgenden Wochenende, am 20.03., fand sich in Leipzig ein Outcall einer weiteren betroffenen Person, in dem diese auf den ersten, sie empowernden Outcall Bezug nimmt und den Wunsch äußert, dass Konsequenzen gegen die gewaltausübende Person gezogen werden sollen.
Von Anfang an empfanden wir die Schritte der betroffenen Personen als sehr mutig, wir erkennen sie an - die Anschuldigungen und Forderungen nehmen wir sehr ernst und solidarisieren uns mit den Betroffenen!
Da auch wir mit der gewaltausübenden Person in der Vergangenheit Partys veranstaltet haben, möchten wir uns hier als veranstaltende Sick Crew ganz deutlich von dieser Person distanzieren und auch anderen Veranstalter*innen/Clubs die Möglichkeit geben, auf die Anschuldigungen gegen den DJ und Veranstalter zu reagieren.
Zwischen dem Täter und unserer Crew wird es bis auf Weiteres keinerlei Kooperation in jeglicher öffentlicher Form mehr geben!
Innerhalb des Freund*innenkreises und besonders der Gruppe jener, die initial über die Vorfälle informiert wurden, werden die Vorkommnisse aufgearbeitet. Dazu haben wir uns auch professionelle Beratung von außen geholt. Wir wollen uns insbesondere bewusst machen, wodurch solche Taten überhaupt erst möglich werden konnten, denn klar ist, so etwas darf sich in Zukunft nicht wiederholen. Wir wollen uns bewusst machen, wo Machtstrukturen wirken und inwiefern unsere Strukturen durch toxische Männlichkeit geprägt sind.
Einige von uns stehen oder standen der gewaltausübenden Person sehr nahe, wir sind schockiert und emotional mitgenommen. All unsere Arbeit in diesem Aufarbeitungsprozess ist für uns neu. Wir geben unser Bestes, um betroffenenorientiert zu agieren.
Wir verstehen auch, dass viele sehr wütend sein werden. Ihr seid zurecht wütend, wir sind es auch!
Solltet ihr uns etwas mitteilen wollen oder einfach das Bedürfnis nach Austausch haben, meldet euch bitte unter folgender e-Mail-Adresse: aufarbeitung@sick-crew.de
Auch wir wollen, dass gegenüber der gewaltausübenden Person Konsequenzen gezogen werden. Um sichere Räume für Betroffene und Gäste zu schaffen, fordern wir, dass mit ihm nicht mehr kooperiert wird und dass ihm der Zutritt zu unseren Räumen verwehrt wird.
Uns ist auch wichtig, dass beim Täter ebenso ein Prozess in Gang kommen kann, in dem er seine Taten reflektiert, Grenzüberschreitungen, die von ihm begangen wurden, versteht, die Konsequenzen, die ihn erwarten, begreift und akzeptiert und durch Therapie und viel Zeit sein Verhalten ändern kann. Denn wir glauben fest daran, dass sich Menschen verändern können!
Wir haben den Namen der gewaltausübenden Person durch die Bilder des Stencils öffentlich gemacht - trotz der Befürchtungen vieler von uns, dass Akte der Selbstjustiz verübt werden könnten. Es liegt zwar nicht in unserer Hand, aber wir befürworten für die Zukunft transformative Prozesse mit der gewaltausübenden Person - auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt natürlich noch nicht abzusehen ist, wie und durch wen sich solche Prozesse gestalten könnten.
Wir sprechen uns klar gegen jegliches Verhalten der Selbstjustiz gegenüber der gewaltsausübenden Person aus, weil es genau die Mechanismen bedient, die wir ablehnen.
Bleibt stark, bleibt solidarisch.
Before reading this text: We issue a trigger warning for the whole text. It’s about sexualized violence. This can be burdening and re-traumatizing.
On Saturday, 6th March 2021, a few friends* of our group were informed that outcalls appeared in two places in Leipzig, which are clearly accusing a co-organizer and peer from our circle as a sexual abuser. The outcall, in the form of an anonymous stencil, was spotted at the doorstep of a house project and at the wall of a Leipzig scene club. The stencil also appeared in incomplete form in front of a well-known club in Berlin.
TW: Behind this link you find pictures of the stencils revealing the name of the abuser: Images
Thereupon we met immediately in a plenum. We decided that we want to enable complete transparency in our closer circle, and that we want to inform our own, but also friends of the abuser in a telegram channel with all the infos we have.
In a second plenum we started to structure our own group transformation process.
The following weekend, at the 20th of March, another outcall of an affected person appeared in Leipzig, which is written in solidarity with the first outcall and calls it empowering. Further consequences for the abusing person are demanded in this outcall.
We perceived the steps of those affected as very brave from the beginning. We take the accusations and demands very seriously and we stand in solidarity with everyone affected!
Since we also have organized parties with the abusing person in the past, we hereby want to distance ourselves from this person and give other clubs and promoters the possibility to react to the accusations against the DJ and promoter.
There will be no further cooperation in any public form with the abuser and our crew for the time being.
Inside the group of friends who were initially informed, the incidents will be processed. Therefore we already have professional accompaniment from outside of our group.
We especially want to raise awareness for what made these actions possible in the first place. We want to understand where power structures work and in what way we are shaped by toxic masculinity.
Several of us are or have been very close with the abusing person. We are shocked and emotionally worked up. All of our work in this process is new to us. We are trying our best to focus on the needs of those affected.
We also understand that many will be very angry. Your anger is justified, we are angry, too! If you want to share anything with us or if you feel the need for exchange, please contact us: aufarbeitung@sick-crew.de
We also want the abusing person to face consequences. To ensure saver spaces for affected people and guests, we demand that there will be no more cooperation with him and that he is denied entrance to our spaces.
But it’s also important to us that a process for the abuser is starting as well. A process in which he can reflect his actions and cross border behaviors, understand them, comprehend and accept the consequences that await him and may take the chance to change his behavior with therapy and a lot of time. Because we strongly believe that people can change.
By showing the Stencils, we made the name of the abusive person public, despite our fears that this may lead to acts of self justice. It’s not in our hands but we support possible transformative processes with the abusing person in the future - even though it’s not foreseeable at this point how and through whom those processes could be organized.
We speak out against any acts of self justice against the abusing person, as this would feed the same mechanisms that we reject.
Stay strong & in solidarity
1285 Words
2021-04-05 11:00